Vergilbte Tasten: „Wenn Sie UV-Licht vermeiden können, vermeiden Sie es“

Waldorf Blofeld with brand new keyboard – and with

Eine kleine Weihnachts-Meditation zum Gilb bei Tasten und Gehäusen, mit endlich wirklich stichhaltigen empirischen und chemischen Fakten aus der Retro-c’t und einer leicht angegilbten frohen Botschaft.

Weihnachtszeit. Das ist die Zeit, in der die Synthesizer im Wohnzimmer zusammenrücken müssen, um Platz für den Baum zu schaffen (die Kinder bestehen drauf). Die Analogmaschinen sind eingelagert, aber auf dem Platz ist gerade noch genug Platz für den Blofeld – und ich freue mich: ein Gefühl fast wie Eisenbahn wieder aufbauen.

Befördert wird das Gefühl dadurch, dass ich im Frühjahr einiges Geld für eine neue Tastatur ausgegeben habe, weil die vorige so vergilbt war, dass ich es in meinem weißen Blofeld einfach nicht mehr ertragen habe. Meine bisherigen Versuche, Tasten zu bleichen (bei Jenny) waren ja so allenfalls mittelerfolgreich, deshalb der Entschluss, eine neue Tastatur einzubauen – was dank des freundlichen Waldorf-Supports wirklich im Handumdrehen erledigt war.

Aber warum gilben Keyboard-Tasten überhaupt – und was kann man dagegen tun? In meinem kleinen Jenny-Tasten-Abenteuer hatte ich ja eine Theorie entwickelt, dass daran die Weichmacher in Softbags eine Mitschuld haben könnten – eine Vermutung, die daher stammt, dass mein wirklich extrem vergilbter R3 jahrelang im Proberaum im Softbag lag, weit weg von allem Licht, aber eben nur eine Vermutung. Und da Chemie wirklich nicht meine starke Seite ist, bin ich sehr froh, dass sich nun jemand mal wirklich schlau gemacht hat.

Die c’t 27/2021 ist eine Retro-Ausgabe, voll mit wunderbaren nostalgischen Technikschwärmereien – aber auch mit einem „deep dive“ von Jan Mahn in das Problem der vergilbten Gehäuse. (Hier ein kleiner Podcast-Teaser mit Link zum c’t-Heftshop.) Und der hat nicht nur mit Wissenschaftlern die Chemie des Vergilbens aufgedröselt, sondern vor allem empirische Ergebnisse eingesammelt, was hilft.

Die Schuld des Lichts – sonst nichts

Da wäre zunächst einmal festzuhalten, dass meine These von den gilbenden, weil bromhaltigen Flammschutzmitteln in den Softbags wohl Unsinn ist: Wenn (ABS-)Kunststoff gilbt, dann hat das allein einen Grund: UV-Licht.

Die Erklärung der Gilbchemie aus c’t 27/2021

Tatsächlich lagen der leicht vergilbte Blofeld und der schwer vergilbte R3 lange im dunklen Probekeller – aber davor waren sie zugegebenermaßen direkt dem Sonnenlicht ausgesetzt. Scheint eine ganze Weile zu dauern, bis die Folgen sichtbar werden – aber sie werden dann eben um so sichtbarer.

Bleichen hilft – aber leider nicht auf Dauer

Nicht nur Synthesizer-Tasten vergilben – auch alte PC- und Heimcomputer-Gehäuse. Unter Bastlern kursiert der Tipp, diese Gehäuse mit Wasserstoffperoxid und erneut starkem Licht wieder zu bleichen – am besten mit dem gut zu handhabenden „Retr0brite“-Gel (eine Rezeptur findet sich auch im Jenny-Bleich-Artikel). Aber bringt das wirklich was – und wie nachhaltig und verträglich ist die chemische Kunststoff-Restaurierung?

Jan Mahn hat darüber mit Konservatoren im Technikmuseum gesprochen, die gebleichte Gehäuse sorgfältig untersucht haben – und sagen: ja, das chemische Bleichen hilft. Aber es verändert unmerklich die Struktur des Kunststoffs – nicht so stark, dass man es merkt, aber so, dass die Tasten und Gehäuse bei erneuter Lichteinwirkung um so schneller wieder gilben. Worauf man sie wieder bleichen müsste… als jemand, der jahrelang die eigenen Haare gebleicht hat, weiß ich, dass man das Spiel leider nicht unbegrenzt spielen kann, ohne dass die Substanz leidet.

Also: Bleichen hilft, das ist die gute Nachricht – aber unter dem Strich muss man mit dem Gilb leben. Und es hilft, wenn die weißen Tasten nicht direkt in der prallen Sonne stehen.

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