Sentimentale Pixel: 8-Bit Nostalgia

Durfte für die hr2-Sendung „Der Tag“ ein wenig in Erinnerungen schwelgen: „Mach dir keinen Stress. Erzähl einfach so drei Minuten“, war der Auftrag –  am Ende wurden’s dann sechs. Da ich fürs Radio radikal kürzen musste und im Internet bekanntlich endlos Platz ist, hier ungeschnittene Pixelsentimentalität eines first generation gamers.

Den da kennen Sie – oder? Pacman. Aber kennen Sie auch den hier?

Asteroid-Nachbau von Neave Games

Asteroids. Dieser kleine, dreieckige Keil – das soll ein Raumschiff sein, das man drehen kann und Schub geben. Und dann möglichst nicht in einen der großen Meteoriten fliegen,  die mehr aussehen wie lieblos gekritzelte Pilze – und die man natürlich auch zerballern kann, dann zerplatzen sie in viele kleine Meteore. Und  jetzt: Achtung –

die bösen kleinen Ufos.

Ach ja, und Space invaders, damit hat’s angefangen: bunte Pixel, hinter denen man mit viel Phantasie fliegende außerirdische Monster sehen konnte:

Space-Invaders-Retro-T-Shirt

Space-Invaders-Retro-T-Shirt

16×16 Bildpunkte für ein Alien; mehr war nicht; das war ja noch nicht so dolle mit der Computertechnik vor fast dreißig Jahren. Aber Phantasie, die hat man mit zwölf, dreizehn ja. Computerspiele gab’s damals fast nur auf Spielhallenmaschinen, die Anfang der 80er auch noch in Supermärkten und Kinofoyers herumstehen durften – und für zuhause die Atari VCS 2600.

Der „Käfer“ der Generation Game

Für die Gamer-Generation ist die so ein bisschen was wie der VW Käfer für die Wirtschaftswunderkinder – der holzfurnierte Kasten brachte Asteroids und Pacman in die Wohnzimmer. Okay, am heimischen Fernseher hat man noch mehr Phantasie gebraucht, da war Pacman noch nicht mal mehr die gelbe Pizza, sondern eine flimmerige Quadratur des Kreises – dito bei Asteroids, das schon sehr farbig und blockig daherkam. Aber was soll’s – allein der Geruch der Joysticks reichte aus, um mich in Verzückung zu versetzen. Atari 2600 ruled.

Und das beste daran: neue Spiele konnte man nachkaufen oder sich zu Weihnachten wünschen. Zum Beispiel Return of the Jedi, das Spiel zum gleichnamigen Krieg-der-Sterne-Film. Hätte ich glatt gemacht – nur leider hatte ich gar keine Atari, und der einzige meiner Freunde, der eine hatte, war ein ziemlicher Arsch. Also kein Pacman, kein Asteroids, kein Return of the Jedi – allenfalls nach Schulende im Kaufhaus, wo die Dinger zum Ausprobieren rumstanden, immer umringt von einer Schar Schüler wie mir, das gibt’s ja heute noch. Und sadistische Kaufhausleiter, die dann irgendwann mal auftauchten, maliziös grinsten und alle Vorführgeräte abschalteten. Man kam sich so bittstellerisch vor! Aber die Spiele waren toll

Zum Glück kamen dann zwei Dinge zusammen: zum einen hatte ich angefangen, mich für Computer zu interessieren und an meiner Schule einen Programmierkurs belegt – als einziger Sechstklässler; war eine Riesensache damals, genau wie der Schulcomputer übrigens. Zum anderen hatte mein Vater, der Ingenieur ist, vollstes Verständnis für die Computerei – und kurz nach meinem 15. Geburtstag stand stand eine Apple-2-Maschine bei uns zuhause. Klar, was war mein erstes Programmierprojekt: ein Programm abtippen, bei dem man aus einem Labyrinth ausbrechen musste – und dabei nicht dem Drachen in die Arme laufen, der da irgendwo lungerte. Der Drache war ein großes rotes Quadrat – so viel zum Thema fotorealistische Darstellung.

ZX81 (Quelle: zock.com)

ZX81 (Quelle: zock.com)

Dabei gehörten ich und mein Apple-Computer zur Spiele-Aristokratie: das Einstiegsmodell war der Sinclair ZX 81, der nur 100 Mark kostete – dafür musste man den Computer selbst zusammenlöten und den Spiele-Code mühsam über eine unsägliche Folientastatur eintippen – Lohn der Mühe: schwarzweißes Klötzchengeflimmer, von dem man irgendwann Kopfschmerzen kriegte. Und viertelstundenweise warten, bis die paar Kilobyte vom Kassettenrekorder im Rechner angelangt waren.

Höchst illegal, das

Kaufspiele gab’s zwar auch, mit besserer Grafik, aber die waren außer Reichweite, weil zu teuer: wie hungrige Hunde sind wir um die Disketten herumgeschlichen, die beim einzigen Computerhändler meiner Heimatstadt im Regal standen. Der einzige Angestellte hat gern mit uns Computer-Kids gefachsimpelt – aber wehe, der Eigentümer des Ladens war da; dann hieß es: raus, aber pronto. Und zwar mit Recht.

Die goldene Zeit der 8-Bit-Computerspiele war nur deshalb golden, weil man schnell Kontakt gesucht hat zu anderen Computerverrückten – und dann die Disketten kopiert und getauscht hat. Das war bei mir und meinen Apple-Freunden so, das war auch so ein paar Jahre später, als der C64 die Kinderzimmer eroberte; seine Liebhaber schwören bis heute auf das zärtlich „Brotkasten“ oder „Nackenrolle“ getaufte Gerät und Spiele wie Winter Games oder Mission Impossible.

Warum 8 Bit progressiv sind

Das ist nämlich das Tolle an den alten 8-Bit-Gurken. Okay, die Grafik war klötzchenhaft. Okay, das Gefiepe und Gepiepse ist nicht gerade Dolby Surround. Aber nicht nur die Melodien sind verdammt eingängig – weil die Computer so langsam waren und die Spiele so einfach, hat man fünf Minuten zugeschaut oder mitgemacht, und man hatte das Prinzip verstanden und hatte Spaß. Heute nennen die Marketingexperten das „Casual Gaming“ und sagen, es läge total im Trend.

Wo wir gerade bei modernen Spielen sind: Inzwischen bin ich ja erwachsen und kann mir den Ur-Ur-Urahnen der ollen Atari-Konsole ins Wohnzimmer stellen. Man kann auch DVDs abspielen mit der Neuen. Graphik und Sound sind wie im Hollywood-Film. Die Spiele erzählen epische Geschichten und saugen einen regelrecht ein. Und doch ist es irgendwie nicht das Gleiche.

Das Ding für uns

Übrigens: es gibt so ein Ding für uns 8-Bit-Nostalgiker. Sieht aus wie ein Joystick, enthält aber einen mit moderner Technik miniaturisierten C64-Computer – mit einer Reihe von Spielen, einfach zum Anschließen an den Fernseher. Bringen Sie so was mit in eine Runde mit Enddreißigern, und die Party ist gelaufen.

Links: originaler Competition Pro, rechts: C64 DTV - das 8-Bit-Retro-Joytoy

Links: Original-Atari-Konsolen-Joystick Competition Pro - bei Gamern hoch beliebt und natürlich auch kompatibel zum C64, der die Joystick-Anschlüsse von der Atari 2600 ererbt hatte, rechts: C64 DTV - das 8-Bit-Retro-Joytoy, das einen kompletten C64-Nachbau auf einem Chip enthält. Mit dreißig Spielen.

WWW-LLL (LiebLingsLinks):

  • M.A.M.E. – Der Emulator für die 8-Bit-Spielhallenmonster der Vergangenheit (ROMs not included)
  • Der Apple-IIe-Emulator AppleWin und ein Haufen Disk-Images höchst zweifelhafter Herkunft (Reminder: Nur Besitzer der originalen Software sind berechtigt, die Images zu laden und zu benutzen)
  • Die Pixelkultur-Seite 8bittoday.com
  • Meine (noch) unvollendete Dokusoap zum (noch) unvollendeten Projekt, einen Atari-2600-PC zu bauen
  • Eine Begegnung mit dem Apple-II-Erfinder Steve Wozniak
  • C64 in a stick – Die Geschichte der Chipdesignerin Jeri Ellsworth und ihrer unverständlichen Leidenschaft für den C64 [New York Times]
  • Man kann den Retro-Stick C64 DTV sogar in einen „richtigen“ C64 umbauen, mit Tastatur- und Floppy-Anschluss – oder in einen, naja, Netbook-C64. Alle Details in diesem Wiki. (Die neue Hardware in ein originales C64-Gehäuse einfrickeln – diesen sensationellen Hack hat aber meines Wissens nach noch keiner versucht. ;-)
  • Und einen zum Schluss noch – mit einem Hauch Sentimentalität:

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